Eine internationale Aktion
Künstler aus Addis Abeba und Greifenstein schnitzen Neunkirchen Weihnachtskrippe
„Wie können wir diesem Mann helfen?“ Immer wieder hatte Ato Teferra seine geschnitzten Figürchen im Pfarrhaus von Addis Abeba vorgestellt und zum Kauf angeboten. Es waren Darstellungen aus dem Straßenleben von Äthiopien, die Frau, die ein Feuerholzbündel trug, der Mann mit einem Sack auf dem Rücken, das spielende Kind. Auch bei Touristen kamen sie gut an, wenn eine Gruppe zu Besuch war, staunten sie über seine Fähigkeiten, mit wenigen Messerbewegungen aus einem Stück Holz einen Charakter zu schaffen. „Mit diesen kleinen Figuren ist es schwer für ihn, einen Lebensunterhalt zu verdienen. Er bräuchte etwas längerfristiges,“ war ein wichtiger Gedanke.
Denn Ato Teferra ist fast blind, ein Bein hat er verloren. Als Soldat im Krieg zwischen Äthiopien und Eritrea ist auf eine Mine gelaufen und seitdem schwer behindert. Die Invalidenrente reicht nicht zum Leben und zum Sterben. In einem Land, in dem die Arbeitslosigkeit zwischen 20 % und 30 % liegt, hat er keine Chance.
„Er könnte eine Weihnachtskrippe schnitzen, so eine große. Dann hätte er länger zu tun und über ein halbes Jahr lang auch ein Auskommen.“ Und wirklich, es dauerte mehr als ein Jahr bis Josef, Maria und Jesus, Hirten und Schafe zusammen in der Evangelischen Kreuzkirche Addis Abeba bestaunt werden konnten.
2018 kamen sie dann mit der Familie Jacobi nach Neunkirchen, wo sie das erste Mal in Deutschland in der Johanniskirche zu sehen waren. Seltsam fremd und doch ganz heimisch präsentierten sie sich an Heiligabend unter dem Weihnachtsbaum. Sie hatten im Westerwald „Asyl erbeten“ und erhalten. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass sie gut in die barocke Kirche passten.
„Aber wo sind die Könige, wo ist das Kamel, und die Engel, es fehlen die Engel,“ fragte eine Kinderstimme. Mit der Reduzierung auf das Wesentliche wollte sich der Grundschüler nicht zufrieden geben. Die Darstellung sollte schon komplett sein. Müssen da nicht mindestens auch noch Ochse und Esel her?
„Naja, wir könnten ja mal nach einem örtlichen Schnitzer suchen und mit dem besprechen, was möglich ist.“ Nach ein paar Wochen des Suchens war Georg Maurus aus Greifenstein gefunden. Von Haus aus Koch hatte er seine Liebe zum Holz entdeckt. Aber nicht mit dem feinen Schnitzmesser, sondern mit der Kettensäge rückte er den Holzklotz zu Leibe. „Über 20 habe ich davon, welche mit extra langen Schwertern für die groben Arbeiten, aber auch kleine, wenn es um die Feinheiten geht,“ erklärt der Kettensägenschnitzer, der sich gerne „Crazy – George“ nennen lässt. In den letzten Jahren hat er an einer Europameisterschaft und vielen internationalen Events und Meisterschaften, bei denen sich die besten Kettensägenschnitzer der Welt messen, erfolgreich teilgenommen.
Die drei Könige aus den Lahnbergen sind von anderem Kaliber als die Zuwanderer aus Afrika. Während selbst die größte Figur von dort, Josef, zum Transport unter den Arm geklemmt werden kann, braucht‘s für die Könige mehr Kraft. Der schwerste wiegt deutlich über 20 Kilo. Georg Maurus hat an Eichenholz nicht gespart. Im Herbst 2019 hatte er sich an die Arbeit gemacht und wenige Tage vor Weihnachten die drei Figuren präsentiert. Und siehe da, zum Christfest stand die gemischte Gruppe einträchtig vor dem Altar der Johanniskirche als ob es nie anders gewesen wäre.
„Jetzt könnte ein Kamel dazu kommen,“ war die Idee des folgenden Frühjahrs. Schnell war berechnet, wie groß so ein Reittier sein müsse, wenn es im Maßstab zu den schon vorhandenen Figuren passen soll. „Unter 2 Meter Kopfhöhe geht das wohl nicht, besser ist zweieinhalb Meter.“ „Ich hab ja schon einige große Figuren geschnitzt, aber so etwas ist schon noch mal ein eigenes Ding.“ Der Greifensteiner Holzkünstler wiegte bedenklich den Kopf.
Ein Kamel wird in 2020 wohl nicht dabei sein. Noch sind eine ganze Reihe von Fragen unbeantwortet. Wie transportiert man so ein Tier, das sicherlich über einen Zentner wiegt? Wo findet es zwischen den Weihnachtsfesten einen Platz? Sieht man dann den Altar überhaupt noch? Allein die Kosten für einen Holzklotz, der als Rohmaterial dienen könnte, übersteigen alles, was bisher finanziert werden musste.
Aber zwei Engel kommen dazu. Die schlanken himmlischen Gestalten sollen an Weihnachten 2020 die Darstellung der Geburt Jesu bereichern. Seit September tüftelt Georg Maurus an Proportionen und Linien. Auf die Suche nach zwei Holzklötzen hat er sich gemacht und will bis zum Christfest die Himmelsfiguren fertig haben. Getreu der Erzählung des Evangelisten Lukas werden sie zwei Trompeten tragen, allerdings abgesenkt, um den kleinen Jesus nicht zu stören. Andächtig werden sie das Neugeborene betrachten und sich freuen, dass Gottes Sohn in Bethlehem angekommen ist.
Und uns soll die Krippe vor dem Altar zu denken geben. Über das Wunder von Weihnachten, Gottes Gnade in seinem lieben Sohn. Und wir können uns Zeit nehmen und betrachten, wie Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft verbunden werden am Geburtsort des Heiland. Auch für uns ist dort Platz, ganz in der Nähe Jesu.
Karl Jacobi